Logbuch 21: Die Berliner Sternwarte - Akademie des Jüdischen Museums



"Wir kamen vom Schulgange aus dem Friedrichstrassenlärm Berlins durchs große eiserne Tor des Sternwartengartens in eine vogelsangdruchhallte Gartenstille, in deren Mitte das Sternhaus stand. Die Königliche Berliner Sternwarte, von Alexander von Humboldt gegründet und von Schinkel erbaut, lag im Zentrum der Riesenstadt, am Südende der Charlottenstrasse, dem Enckeplatz, in einem fünf Morgen großen Garten." (Karl Foerster. "Elternhaus in der Sternwarte". in: Ein Garten der Erinnerung. Ulmer 2009: S. 23)
(Das links abgebildete kleine Ölbild malte um 1900 Ina Foerster, die Mutter Foersters. Sei war eine ausgezeichnete Malerin. Über diese bemerkenswerte Frau erzähle ich später.)

Die Berliner Sternwarte mit einem großen Garten, in dem die fünf Geschwister der Familie Foerster je ein kleines Blumengärtchen besaßen, steht heute nicht mehr. Sie lag in der südlichen Friedrichstadt zwischen der Lindenstrasse und Friedrichstrasse. Die Kinder müssten damals, von der Friedrichstrasse kommend, zuerst links in die Besselstr. und gleich rechts in den Enckeplatz eingebiegen, um nach Hause zu gelangen.

Wie unten auf dem Lageplan zu ersehen ist, stand die Sternwarte mittig-diagonal im Wohnblock. Das Gebäude stand in Ost-West-Richtung, während sich das Grundstück selbst  eingentümlich diagonal erstreckte. Um 1886, als der kleine Karl gerade 12 Jahre alt war, entstand direkt auf dem benachbarten Grundstück die Lindenhalle (Markthalle), in der der grosse Blumenmarkt ansiedelte.

(Berliner Sternwarte. Zeichnung von Karl Friedrich Schinkel. 1830-1835. Feder in  Schwarz, graublau laviert, Bleistift; 501 x 657 mm. SM 23b. 61. Aus dem Ausstellungskatalog. Karl Friedrich Schinkel. DDR 1982.)


"Die Friedrichstadt wurde zwischen 1690 und 1738 von Friedrich III. als barocke Planstadt erbaut und ist das Ergebnis eines rasanten Bevölkerungswachstums in Berlin. Anfang des 19. Jahrhunderts fand durch den starken Zuzug von ehemaligen Bauern und Juden ein Wandel im Quartier statt, die hier ihre Handels- und Produktionsbetriebe errichteten. Aufgrund der zahlreichen jüdischen Bewohner wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts die liberale Synagoge in der Lindenstraße errichtet."
So berichtet die Senatsverwaltung von Berlin über die Geschichte der Friedrichstadt
  
Topographische Karte Berlin 1910, Straube
Topographische Karte Berlin 1910, Straube
In der Mitte des Blocks liegen der Garten und die Sternwarte.
"Der Entwurf des kreuzförmigen Gebäudes ist von Karl-Friedrich Schinkel. Die Warte liegt im Blockinneren und ist von einem kleinen Park umgeben. Die Ausrichtung des Gebäudes folgt dem Friedrichstädtischen Raster. Dagegen liegen Parkgrundstück und die umfassenden Bauten in der Parzellierungsrichtung der Lindenstrasse.
...
Der nördliche Flügel der Sternwarte nimmt den Normal-Höhenpunkt des preußischen Vermessungswesens auf (Normal-Höhepunkt von 1879). Der Punkt befindet sich damit in der Flucht der Charlottenstrasse. Die durch den Punkt verlaufende Niveaufläche (Normal-Null Fläche, N.N.) wird als der 'Landeshorizont' bezeichnet und bildet die Bezugsfläche für die Höhenmessung in Preußen. Der Messpunkt bezieht sich auf den Nullpunkt des Amsterdamer Pegels. Gegenüber dem Amsterdamer Punkt liegt er in 37m Höhe." 
(Aus: Auslobungstext. landschaftsplanerischer Ideen- und Realisierungswettbewerb für Freiräume an der Akademie Jüdisches Museum Berlin. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Abteilung Städtebau und Projekte Referat II D)


Die Familie Foerster bewohnte die Sternwarte bis 1903. Danach zieht sie in ein gemietetes Haus mit einem großen Garten in Berlin-Westend. In diesem Garten eröffnete Karl Foerster seine erste Staudengärtnerei. Aber darüber später mehr. 

Nicht einmal Zehn Jahre nach dem Auszug der Familie Foerster, wurde die Sternwarte in den Neubau in Babelsberg verlegt, der Schinkelbau abgerissen. Hierzu sagte Karl Foerster wehmütig folgendes;

"Fast blieb es uns Kindern zu späterer Zeit, nach Verlegung der Sternwarte aus Berlin heraus, eine Wohltat, dass Elternhaus und Sternwartengarten verschwanden. Nach dem Verlassen des Hauses war es uns kaum möglich, alles wiederzusehen." (a.a.O. S. 37)

Die benachbarte Blumenhalle bleibt jedoch weiter bestehen. Der Enckeplatz wurde über das freigewordene Grundstück der ehem. Sternwarte bis zur Lindenstrasse verlängert. verlief mit einem Knick nun direkt an der Markthalle. Die im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Halle wurde 1965 an der selben Stelle neu aufgebaut. Sie bestand bis 2010. Die Halle steht mittlerweile unter Denkmalschutz, wurde an das Jüdische Museum veräußert. Ihr wurde als "Akademie des Jüdischen Museums" eine neue, sinnvolle Nutzung zugesprochen. Jüdisches Museum steht schräg gegenüber in der Lindenstrasse. Die beiden Gründstücke sollen nun symbolisch zusammengefasst werden. Nach einem Entwurf von Daniel Libeskind, der Jüdisches Museum auch entwarf, wurde die Akademie fertiggestellt und im vergangenen November feierlich eröffnet. 

Vor ein paar Tagen stiefelte ich. - im wortwörtlichen Sinne -, zur Akademie des Jüdischen Museums. Leider fand ich nur eine Baustelle vor. Die Freifläche ist noch nicht fertiggestellt. Auf dem jetzigen Parkplatz hinter der Akademie muss früher der Garten der Sternwarte gestanden haben. Später soll der Parkplatz teils in den benachbarten Besselpark angeschlossen, teils soll bebaut werden.

Akademie des jüdischen museums 2013
Akademie des Jüdischen Museums. Von hinten betrachtet

So soll es aussehen. Von der Akademie aus betrachtet.
Gegenüber kann man Jüdisches Museum erkennen.

Von der Lindenstrasse aus betrachtet.
Einige Bäume und Sitzbänke werden doch dazu kommen.
(Diese beiden Zeichnungen stammen aus dem Auslobungstext.)



Eine kleine Ecke des damaligen Sternengartens ist heute noch unbebaut, und in die Freianlage der Akademie des Jüdischen Museums integriert. Man kann dort zwar nicht mehr hoch auf das Firmament schauen, aber ein Davidstern ist doch herabgefallen.


© jeonghi.go

Kommentare

  1. derzeit wird geplant die letzten förster´schen spuren auf dem gelände zu vernichten!

    die drei japanischen schnurbäume aus dieser zeit sollen gefällt werden!

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