Zum 143. Geburtstag Karl Foersters


(Am 9. März fand auf der Freundschaftsinsel zum Anlass 143. Geburtstag Karl Foersters eine Festakt statt. Ich hatte die Ehre, eine kurze Rede zu halten. Da ich als scheuer Mensch keine große Rede schwingen kann, hatte ich einen Brief an Karl vorbereitet, den ich dann las. Hier ist der Brief.)

9. März 2017 

Lieber Karl, so darf ich Dich doch nennen, oder? Sehr verehrter Herr Foerster klingt förmlich und fremd. Ja. Ich habe Dich nicht persönlich gekannt aber es kommt mir vor, als würde ich Dich sehr gut kennen. Als ich vor einigen Jahren versuchte, Deine Worte aus dem Buch „Ein Garten der Erinnerung“ ins Koreanisch zu übersetzen, habe ich angefangen mit Dir Zwiegespräche zu führen und Dich Karl zu nennen. Deine Worte, ja Deine Worte, sie haben so wundervollen musikalischen Klang, malten schönsten Atmosphären der Jahreszeiten nach, waren leider zum Teil unmöglich zu übersetzen. Versuch doch mal, ein Bild, eine Atmosphäre oder einen Klang zu übersetzen. Ich habe mir die Haare gerauft. Geschimpft habe ich auch mal, gebe ich zu. Es war ein strenger Winter. Ich lief in die eisige Kälte hinaus und ging lange spazieren, um zu begreifen, was Du über den Winter geschrieben hast. Seltsam. Ein Gärtner, der mit dem Winter seine Jahreszeiten beginnt? 

Es war einer der schönsten Winter meines Lebens. Dein Wintermärchen hat mir gelehrt, unter der Eisfläche das Erwachen des Lebens zu erahnen. Dafür danke ich Dir. 

Aber zunächst einmal möchte ich Dich zum Anlass Deines 143. Geburtstag ganz herzlich grüßen mit Deinen eigenen Worten, denn ich fand kein Wort, das schöner wäre als Deins. Zu Deinem Geburtsmonaten hast Du einmal geschrieben, 
„Worte sind nicht frühlinghaft genug für den jungen quellenden Schmelz und die fast beklommene Schönheit all dieses Blühens inmitten der Strömungen belebender Wärme und silberner Kühle; es ist, als wenn diese Blumen auch den großen körperlichen Verwandlungswirkungen des Frühlings neue Pforten ins Geistige öffneten.“ 

 Hundert drei und vierzig Jahre. Noch so jung! Martin Luther z. B. war vor weit über 500 Jahren zur Welt gekommen, man erinnert sich noch an ihn, obwohl er nicht nur gute Dinge tat. Er hat auch Leid über Menschen gebracht. Du dagegen hast der Welt nur gutes und schönes gegeben. Weitere 500 Jahre und viele Jahre darüber hinaus wird man sich an Dich erinnern. 

 Wie Du schon weißt, komme ich aus Korea. Dort glaubte man, dass man nach dem Tode im Garten des Westhimmels als Blume wieder geboren würde. Die Göttin des Lebens und der Wiedergeburt geleitet die Seele in diesen Garten. Die blumengewordene Seele wartet so lange, bis die Göttin wieder auftaucht und sie in die Welt mitnimmt, so dass sie als Mensch wieder geboren wird. Der Mensch ist die Blume, die Blume der Mensch, ewig wandelnd. Das passt nur zu gut zu Dir. Ich darf Dich in diesem Garten vermuten. 

 Deine Staudenwelt war für mich eine Offenbarung. Du hast Deine deutschen Mitmenschen so viel mit prächtigen Stauden verwöhnt, dass sie sie mittlerweile für selbstverständlich halten. Nicht so in Korea. Ich wuchs auf ohne zu ahnen, dass es auf der Welt so viel Schönheit gibt. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich nicht eines Tages selber in einem deutschen Garten voll mit unbeschreiblich schönen aber mir unbekannten Blumen gestanden hätte, wie Alice in Wunderland. Ich studierte damals in Berlin und besuchte zum ersten Mal eine Gartenschau. Später habe ich erfahren, dass der Garten von einem Deiner Schüler gestaltet wurde. Deine Gärten in Bornim und auf der Freundschaftsinsel durfte ich erst einige Jahre später nachdem Mauerfall erleben. 

 Im Garten meiner Mutter blühten auch Rosen, Lilien und Orchideen auf Rabatten. Aber Dein Garten war etwas gänzlich anderes, barg „in sich Weltgefühle“ , um wiederum mit Deinen eigenen Wort zu sprechen. Martin Heisig und Prof. Heinz Hallmann führten mich in Deine Welt ein. So lernte ich nicht nur Deinen Garten kennen. Ganz langsam, Schritt für Schritt tastete ich mich auch in Deine Gedankenwelt hinein. Schon damals habe ich unzähligen Male den Versuch unternommen, Deine Schriften zu lesen, um gleich aufzugeben, da Deine Sprache so eigentümlich war und für mich unzugänglich. 

 Ich fand den Zugang zu Deinen Worten erst, nachdem ich begriffen habe, was für ein Mensch Du warst. Ja, ich denke, es kam doch der Wendepunkt. Ich kannte Dich zu Anfang nur als Staudenzüchter und Schriftsteller, - so stand es jedenfalls in den Büchern geschrieben. Zu Deinen Schriften hatte ich keinen Zugang. Hm. Zu der Züchtung stand ich ein wenig skeptisch gegenüber. Für eine Asiatin mit naturreligiösem Hintergrund, ist eine Züchtung unnatürlich, gegen die Natur. Du hättest für mich ein autoritärer großer Mann sein können, der alles nach seiner Vorstellung zurechtbiegen wollte. Mir dämmerte es aber, dass dem es nicht so sein könnte. Also musste ich zuerst Dich und Deine Züchtungsabsicht verstehen. 

 Herta Hammerbacher, die kühle Intellektuelle äußerte noch in ihren späteren Jahren grenzenlose Bewunderung und Zuneigung zu Dir, vor allem zu Deinem Menschen. Deine Tochter Marianne erzählte mir oft von Dir. Jedes Mal strahlte sie Liebe und Sehnsucht nach Dir aus. Ich las sorgfältig die Berichte über Deine Züchtungsarbeiten, alle verfügbare Berichte der Zeitzeugen, über Deine Eltern, Deine Geschwister und Deine Kindheit in der Sternwarte. Allmählich zeichnete sich ein Menschenbild ab, das mich zutiefst beeindruckte. Ich verstand endlich, dass bei Deiner Züchtungsarbeit um etwas gänzlich anderes ging. Du hast Dich als Helfer der Natur verstanden. Du hast Blumen dazu verholfen, das Höchste aus sich heraus zu entwickeln. 

 Ohne den Menschen zu begreifen, kann man sein Werk auch nicht verstehen. So wandte ich mich froh mutig wieder an Deine Schriften, und es ging auf einmal. Das Buch „Ein Garten der Erinnerung“ erschien in Korea 2013. 

Ein koreanischer Schriftsteller schreibt zu Deinem Essay „Pan und Psyche“, folgendes „wie kann es sein, dass in einem einzigen Essay so viele wunderschöne Gedanken und Gefühle offenbart werden“. Er schreibt, dass während der Lektüre seine verloren geglaubten Empfindungen für die schöne Natur wie tausend Wellen ihn überfielen. Er empfand ein reinstes Entzücken, und zählte Dich fortan zu seinen Lehrern. 

 Eine andere Schriftstellerin, die Bücher und Blumen über alles liebt, veröffentlichte kürzlich eine kleine Erzählung, die mit Deinem Buch beginnt und damit endet. Sie las und liest zahlreiche Gartenbücher und sagt seufzend, nicht jeder Gärtner kann schließlich so sein wie Karl Foerster. 

 Es gibt da eine Dichterin, die den Künstlernamen Zwiebel angenommen hat. Ich weiß nicht warum sie sich ausgerechnet Zwiebel nennt. Vielleicht weil sie so scheu u. eingekapselt, aber doch vielschichtig und voll mit stechenden Gedanken ist. Sie äußert sich sonst nur in Gedichten. Deshalb war ich nicht schlecht überrascht, als eines Tages ein kurzer Leserbrief von ihr eintraf. Sie schreibt, dass sie das Buch „Ein Garten der Erinnerung“ mehrmals so intensiv gelesen hat, bis die Seiten zerfledderten. Sie nahm jedes Wort von Dir in sich auf, fühlte sich bestätigt, empfand eine tiefe Freude über die Welt, die Du ihr zeigtest. Wie Du siehst, Deine Garten und Ideen haben das andere Ende der Welt erreicht. 

Ihren letzten Satz möchte ich Dir gern als Geburtstagsgeschenk weitergeben. Sie sagt, wenn mehr Leute Dein Buch lesen würden, würde die Welt ein wenig wärmer werden. 

 Lieber Karl, ich persönlich wünsche, dass Du noch im Blumengarten des Westhimmels weilst, den Du sicher mittlerweile in eine höchste Pracht umgewandelt hast. Vielleicht wartest Du noch auf die Göttin, um wieder als Gärtner geboren zu werden. Aber wie wäre es, wenn Du dort bleibst und den Blumen, also den künftigen Menschen etwas von Dir mitgibst? Deine Heiterkeit, Wärme, Großherzigkeit, Weltoffenheit, Fähigkeit zur Liebe, Empfindsamkeit, vor allem zum Glückssein? 

Die Welt könnte jetzt wie nie zuvor Menschen wie Dich gut gebrauchen. 

Deine Jeong-Hi Go








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