Logbuch 17: Die feierlichste Frühlingsblume

Eine Freundin hat mir mal gesagt, man müsse immer einen Schnaps dazu trinken, wenn man die süßen Worte Foersters recht verdauen will. So geht es mir heute den ganzen Vormittag.

Eine so lange Vorede! Spricht da Homer, Ovid oder Vergil? Möglicherweise alle drei zusammen? Nach der anderthalbseitigen Vorrede erfährt man endlich, worum es geht. Um die Schwertlilie! "Die feierlichste Frühlingsblume" hat er sie getauft. 

Das ist wohl wahr. Aber eine ganze Seite und noch eine halbe dazu nur für die Einleitung!?

Und die ganze Zeit geht es immerfort  in dieser Tonart:
"Und um die neuen Vollkommenheiten schwebt oft ein Hauch gesteigerter und vergeistigter Düfte von einer feierlichen Zartheit und Hoheit, welcher den Aufstieg der Erscheinungen in ein Neuland besiegelt." (Die feierlichste Frühlingsblume S. 347)

Für meinen Übersetzer-Begriff sind es zu viele schöne Begriffe in einem halben Satz. Wenn ich ihn durch die koreanischen  Pendants ersetze, - wortwörtlich, nur der Neugier halber -, ergibt ein Satz, über den ich .. naja, sagen wir, sehr viel nachdenken muss.

____________________________________________________________

Als der erste Übersetzter-Schreck überwunden war, stellte sich eine Erinnerung in mir ein, wie es war, als ich die herrliche Schwertlilie zum ersten mal live sah. Es war im Studium, und zwar in der Übungsstunde des Wasserbaus, glaube ich. Wir waren draußen in der Lentzallee. Dort sah ich am kleinen Teich die blauen Schwertlilien in voller Blüte und  in "feierlicher Zartheit und Hoheit" stehen. Die Übung war natürlich dahin. Ich hatte nur noch Sinn für diese lebendigen Exemplare, von denen ich bis zu dem Zeitpunkt nur das Abbild gesehen hatte. Ich weiß noch genau, wie ich mich fühlte. Verwunderung und Staunen. Wie ist es möglich, dass so etwas Schönes auf dieser Welt existiert, dachte ich. Diese Schönheit und Vollkommenheit können unmöglich zu dieser Welt gehören. Ich habe nicht die Begabung von Karl Foerster, das gesehene und gefühlte in solch blumiger Sprache zum Ausdruck zu bringen. Aber gefühlt habe ich genau das, was er beschrieb.


Noch viel stärker ergriffen war ich, als ich in einer Gartenschau, welcher weiss ich nicht mehr, - die tausenden und abertausenden Stauden erblickte, von deren Existenz ich nicht einmal wusste. In dieses Staunen, Bewundern, Verwundern und die sonstigen Gefühle mischte sich ein eigenartiges Gefühl des 'Betrogenseins' ein. Ich fühlte mich, bis dahin um diese tausende schönen Blumen  betrogen! 

Meine lausigen Vorfahren haben uns diese Schönheit vorenthalten! So habe ich wirklich gedacht. Den alten Männern, die sich im philosophischen Disput gegenseitig die Köpfe geschlagen, die das Land ins Elend gestürzt, und die Blumen ob zu bunt, der vornehmen Geisteswelt unpassend vom Garten verbannt hatten, galt meine ganze Wut damals. Und so hatte ich sie dafür verantwortlich gemacht, dass wir ohne Wissen über diese Blumen leben mussten.

Als ich in den letzten Jahren in Korea versuchte, die Staudenkultur bekannt zu machen, bzw. wieder zu beleben, erzählte ich immer von diesem Erlebnis. (Dass ich die Vorfahren für lausig hielt, habe ich natürlich taktvoll verschwiegen.)

Daher weiss ich ganz genau, wovon Karl Foerster sprach, wenn er meint, dass das Leben ohne Phlox ein Irrtum sei, oder Phlox sei eine Welt der Gnade. Das gilt nicht nur für Phlox.

Iris sibirica auf der Freundschaftsinsel. 

Scwertlilien im Teehausgarten im Schloss Dyck. © Jeonghi.go

Nachtrag: 

Lt. dem Pflanzenführer der Freundschaftsinsel wurden bei der Neuanlage Schau- und Sichtungsgarten  zwischen Wasserachse und Pergola über 300 Iris- und 30 Taglilien-Sorten gepflanzt. Einige davon habe ich fotografiert. Hier geht es zu den Fotos

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Über KARL FOERSTER und seine Bedeutung für die PFLANZE in der Landschaftsarchitektur

Zum 143. Geburtstag Karl Foersters

Logbuch 25: Das Firmenwappen der Karl-Foerster-Staudengärtnerei