Logbuch 10: Wintergezeiten oder Lies Goethe!


So schreibt mir ein Freund aus der tiefsten bayerischen Provinz. Nein, natürlich hat er nicht geschrieben, ich möge Goethe lesen. Er schickte mir nur ein Link zu dem Gedicht "Vier Jahreszeiten" von Goethe, und zum Trost Fotos von Sperber mit, die er dicht vor dem Küchenfenster hat. Welch ein Luxus!

 

Ich hatte mich in den letzten Tagen versteckt. Vor Goethe. Nein. Mit ihm.
Ich hatte ihn überall mit. In der U-Bahn, S-Bahn und in der Badewanne. Gedichte in einer fremden Sprache muss man laut lesen. Und das kann ich am besten in der Badewanne. Es ist so ein Trick, den ich mir vor zwei Jahren angewöhnt habe. Damals musste ich Minnesänger lesen, auch den guten Chaucer. Am Anfang hatte ich natürlich Schwierigkeiten, denen zu folgen. Eines Tages sah ich mir den Film "Ritter aus Leidenschaft" an, - damals habe ich mir alle Ritter- und Mittelalter-Filme angesehen, die ich auftreiben konnte. Der Film hat mir sehr gut gefallen. Vor allem. Geoffrey Chaucer tauchte auch auf, als ein junger lustiger Abenteurer und Weggefährte des Möchtegern-Ritters William/Ulrich.  Sie lasen Gedichte gegenseitig laut vor. Da kam ich auf die Idee, selber mal auszuprobieren. Ich las die Gedichte laut, und sieh da, auf einmal wurde alles lebendig.

Ja. Die Vierjahreszeiten von Goethe. Dem Teil Winter galt meine ganze Aufmerksamkeit, weil sich Karl Foerster eingehend mit dieser Jahreszeit beschäftigte. Eigentlich seltsam, ein Gärtner schreibt so viel und so oft über den Winter? könnte man denken. Bei den Griechen fehlt der Winter. Abgesehen von Hades und Persephone gibt es nur drei Horen der Jahreszeiten. Und Karl Foerster schreibt die fehlende Winter-Mythologie dazu. Er wird nicht müde, auf die Schönheit des Winters aufmerksam zu machen. Er wollte unbedingt, dass Menschen glücklicher werden. Sie sollten die Schönheit dieser langen harten Jahreszeit erkennen und sie in vollen Zügen genießen. Ich muss ihm recht geben. Man hat dann vier wunderbare Monate mehr im Jahr. 
"Der Winter ist die längste aller Jahreszeiten; er dauert von Ende November bis Ende Februar, ja mit Ausläufern bis in den März hinein. 'Hälfte des Lebens', klagt der vor hundertfünfzig Jahren noch winterfremde Hölderlin. Aber Winter ist kein Wartesaal. Warten mordet Zeit. Dies ist nur heilbar durch innere und äußere Umschaltung unseres Lebens. Unsere bisherige Haltung zum großen Phänomen Winter ist erstaunlich unzureichend und empfindungsarm. Kaum je findet man bei jung und alt wirkliche Begriffe dessen, was sich im Winter im Naturleben unserer Zone begibt, abgesehen von der schon aufsteigenden großen Linie des Wintersports. Und doch wird das Winterleben dereinst ganze Bücher mit Überraschungen füllen." (Neuer Glanz des Gartenjahres. 1952)

Seine erste Skizze zur Winterschönheit findet man schon im viel besagten Aufsatz "Pan und Psyche".
Aber erst 1917 in "Vom Blütengarten der Zukunft." wird es viel deutlicher. Er erzählt über die Schönheit der Landschaft in Raureif, im Schnee und auch der schneelosen Landschaft.
"Raureif benimmt dem Winter alle Erdenschwere,... ist die Mozartmusik des Winters, gespielt bei atemloser Stille der Natur." oder
"Man mag die Freude an allen diesen Feuerwerken der winterlichen Natur nicht gern bei Menschen, die kein tieferes und blühendes Verhältnis auch zur schneelosen winterlichen Natur haben und von der Riesenwelt des Schönheitsreichtums "kahler" Bäume und Gesträuche nicht ebenso tief beeinflusst und erregt werden wie von belaubten und blühenden Gehölzen. Im Winter gibt es noch mehr unbekannte Länder als in anderen Jahreszeiten, am meisten in schneelosen Zeiten." 

 In "Wintergezeiten" 1925, führt er seinen Gedanken fort, beschreibt jeden Wintermonaten extra. 
So z. B. den Februar: 
"Der Februar, der noch ganz im vollen Winterbann liegen kann und doch schon Raum für seltsame andere Dinge hat, wird als Wintermonat nicht mehr ganz ernst genommen. Man sieht den Garten schon mit anderen Augen an und möchte keinen der Uranfänge neuen Lebens verpassen."
O ja. ich möchte die Uranfänge auch nicht verpassen.

Februar im Ilmpark mit dem Goethe-Gartenhaus, Weimar. 


Und Goethe? Ich weiß es nicht. Ich kann schließlich keine Deutsche werden, um Karl Foerster zu übersetzten. Dann könnte ich ihn erst recht nicht ins Koreanisch übertragen, oder? Vorerst genüge ich mich mit meinen "Vierjahreszeiten", "Ginkgo", "Faust", "Junge Werther" und "Metamorphose der Pflanze". Ich glaube, mehr schaffe ich nicht.


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